Dimitar Peshev

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Articoli sul libro "L'uomo che fermò Hitler"


Frankfurter Allgemeine, 19 ottobre 1998


Die Banalität des Guten
Zivilcourage eines "Gerechten": Dimitar Pesev, der Retter der bulgarischen Juden

Jens Petersen


ROM, Anfang Dezember. Hätte ein entschiedener Protest des Papstes gegen die Judenverfolgung das Unheil aufhalten und das Hitler-Regime zum Rückzug zwingen können? Diese Hochhuth-Frage an den "Stellvertreter" wird in Italien erneut diskutiert angesichts einer Neuerscheinung mit dem Titel "Der Mann, der Hitler Einhalt gebot" ("L'uomo che fermò Hitler", Verlag Mondadori). Der Autor, der Zeithistoriker Gabriele Nissim, ist der Lebensgeschichte eines liberalkonservativen bulgarischen Politikers, Dimitar Pesev (1894 bis 1973), nachgegangen, der als hochgeschätzter Rechtsanwalt arbeitete, als Minister in der Politik tätig war und in den Kriegsjahren als als Vizepräsident des Parlaments wirkte.

Nissim schildert ein tragisches Leben. Pesev war ein Freund des nationalsozialistischen Deutschland, mit dessen Hilfe sich alle großbulgarischen nationalen Aspirationen zu erfüllen schienen. Noch 1941 nannte Pesev Hitler "den größten Politiker der gegenwart und den Schöpfer der Neuen Ordnung" in Europa. Pesev kam aus Kjustendil, einer Kur- und Verwaltungsstadt im südwestlichen Bulgarien mit einer lebendigen jüdischen Gemeinde. Bulgarien schien mit dem Gewinn der Südobrudscha, Mazedoniens und Thrakiens der größte Gewinner der von Hitler und Mussolini 1941/42 erzwungenen territorialen Neuordnung des Balkanraumes. Der mit einer Tochter des italienischen Königs Viktor Emanuel III. verheiratete König Boris III, regierte das Land in einer Art persönlicher Diktatur, diejedoch von den wichtigsten gesellschaftlichen Kräften abhängig blieb. Trotz massiver deutscher Pressionen gelang es König Boris III., auch nach dem Juni 1941 die Neutralität seines Landes gegenüber der Sowjetunion zu wahren. Das war entscheidend. Nach Raul Hilberg war das Schicksal der Juden in einem deutschen Satellitenstaat "immer mit dem Ausmaß des Kriegsengagements dieses Staates verknüpft."
Nach deutschem Vorbild führte die Regierung in Sofìa ab 1940 eine Reihe sich werschärfender antijüdischer Maßnahmen und Gesetze ein. In Altbulgarien lebten etwa 50000 Juden, weitere 15000 kamen mit den neugewonnenen Gebieten hinzu. Mit dem "Gesetz zum Schutze der Nation" vom 21. Januar 1941 wurde die Freizügigkeit der Juden eingeschränkt und die Möglichkeit geschaffen, sie aus der Hauptstadt zu entfernen und zwangsweise in Prowinz-städte anzusiedeln. Ab August 1942 wurden alle männliclien Juden zwischen 21 und 47 Jahren zum Zwangsarbeitsdienst verpflichtet. Gleichzeitig wurde das Tragen des Judensterns Pflicht. Ein Kommissariat für Judenfragen under Leitung eines "überzeugten Antisemiten" namens Belev wurde geschaffen. Im Januar 1943 entsandte Himmler einen Eichmann-Mitarbeiter, Hauptsturmführer Dannecker, nach Bulgarien. Dieser schloß am 22. Februar 1943 mit Belev einen Vertrag über den Abtransport von 14000 Juden aus Mazedonien und Trakien und 6000 aus Altbulgarien. Die Deportation der Juden aus den annektierten Gebieten gelang.

Dagegen formierte sich bei dem geplanten Abtransport der Juden aus Altbulgarien ein wachsender gesellschaftlicher und kirchlicher Protest. Durch eine persönliche Intervention bei Innerminister Gabrovski erwirkte Pesev am 9. März einen Aufschub der schon anlaufenden Deportationen. Am 17. März richtete er einen offenen, von 43 Abgeordneten mitunterschriebenen Brief an den Ministerpräsidenten Filov, in dem es hieß: "Die geringe Zahl der Juden in Bulgarien und die Macht des Staates, dem so viele Gesetze und Herrschaftsmittel zur Verfügung stehen, lassen jedes gefährliche und schädliche Element als bedeutungslos erscheinen... Deshalb ist es unserer Ansicht nach unnütz, neue grausame Ausnahmemaßnahmen einzuführen, die zu einem Massaker führen könnten... Wir können nicht glauben, daß es Pläne gibt, diese Bevölkerung aus Bulgarien zu deportieren... Das hätte ernste Folgen für ünser Land. Es wäre ein Schandfleck auf dem Ehrenschild Bulgarienis und eine schwäre moralische und politische Belastung für die Zukunft des Landes."

Diesem Protest schloß sich Stefan, der Metropolit der orthodoxen Kirche, an. Am 24. März empfing er eine Delegation der jüdischen Minderheit und äußerte anschließend öffentlich, die Verfolgungen stünden im Gegensatz zum traditionellen Geist der Toleranz des bulgarischen Volkes. Im Namen des Synod richtete er ein Memorandum an den König, in dem er für die Aufhebung der antijüdischen Gesetzgebung plädierte: "Eure Majestät wird sich so von dem Verdacht befreien, daß Bulgarien Gefangener der antijüdischen Politik Hitlers sei. Eure Majestät wird so unser Vaterland von der Gefahr erlösen, sich mit einem schrecklichen Verbrechen gegen die Menschheit zu beflecken". Vor einem so energischen öffentlichen Widerstand wichen der König und die Regierung Filov zurück. Die Deportation wurde verschoben. Die sich seit dem Sommer 1943 abzeichnende Niederlage Hitler-Deutschlands führte dann in Sofia zu einer schrittweisen Milderung und am Ende, im Sommer 1944, zur Aufhebung der antijüdischen Gesetze. Pesev aber bekam den ganzen Zorn der Herrschenden zu spüren. Noch im März verlor er sein Präsidentenamt und geriet ins gesellschaftliche Abseits. Nach der Besetzung Bulgariens durch sowjetische Truppen im Herbst 1944 wurde er von dem neuen kommunistischen Regime inhaftiert und in einem Schauprozeß angeklagt. Mit einem Urteil von 15 Jahren Gefängnis entging er knapp dem Tode. Mit über 20000 Hinrichtungen wurde damals fast die ganze bürgerliche Führungselite Bulgariens ausgelöscht. Pesev wurde vorzeitig aus der Haft entlassen, sah sich aber gezwungen, mit äußerster Zurückhaltung und ohne Erwähnung, seiner Vergangenheit weiterzuleben.

 
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  Das erklärt auch, warum diese Vorgänge erst jetzt ins Scheinwerferlicht der Offentlichkeit geraten. Nissim hat mit großer Akribie gearbeitet, fiele Augenzeugen befragt und die unveröffentlichten Memoiren des Politikers aufgefunden. Er beschreibt den von ihm Porträtierten nicht als "Helden", sondern als Exempel für die "Banalität des Guten". Gleichzeitig aber nennt er Pesev "den gefährlichsten Feind" der Deutschen: "Niemand hat dein Nazismus in seinem unerbittlichen Krieg gegen die Juden eine so schwere Niederlage zugefügt."

In Rom wurde das Buch Mitte Oktober im Senat vorgestellt. Am 6. November ehrte das Parlament in Sofia seinen früheren Vizepräsidenten in einer feierlichen Sondersitzung, in der Nissirn die höchste kulturelle Auszeichnung Bulgariens werliehen wurde. Das Buch wird auf Kosten des Parlaments ins Bulgarische übersetzt. Außenministerin Nadejda Mihailova erklärte in einem Interview mit dem "Corriere della Sera": "Unser Ziel... ist der Eintritt in die Europäische Gemeinschaft.... Die Wiederentdeckung von Pesev zeigt, daß wir mit den Europäern nicht nur die Interessen, sondern vor allem die Werte teilen". Pesev starb, in großer Armut und wöllig vergessen, am 20. Februar 1973 in Sofia.


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